HULDA am Theater Freiburg: Schlafmaske statt koloniale Brille 150 150 hereandblack

HULDA am Theater Freiburg: Schlafmaske statt koloniale Brille

Ein Bericht (ohne Bilder)

Am 27.04.2019 gingen einige der „Here and Black“-Aktivist_innen ins Theater in Freiburg – Hulda von César Franck stand auf dem Programm. Bereits im Vorfeld waren wir hellhörig geworden, da wir mitbekommen hatten, dass das Theater „Mädchen und Frauen“ mit „dunkler Hautfarbe“ verschiedener Altersgruppen suchte. Uns wurde von Beteiligten berichtet, dass während des Probenprozesses das „Anmalen mit dunkler Farbe“ erörtert wurde. Wie dies? – fragt man sich vielleicht – in einer Oper, die um 1890 in Paris geschrieben wurde, doch im Mittelalter in Skandinavien spielt. Allerdings war die Besetzungspolitik, wie sich herausstellen sollte, nicht etwa dem Gedanken geschuldet, eine Schwarze Präsenz auf der Freiburger Theaterbühne selbstverständlicher in allen möglichen Rollen des Spektrums zu etablieren – weit gefehlt.

Hulda: „Eine Rachetragödie voll ungestümer Kraft,” schreibt Dramaturg Heiko Voss in seinem Beitrag zum Programmheft (S.13). Wohin anders als nach ,Afrika‘ – seit jeher und bis heute verlässliche Projektionsfläche Weißer Fantasien des ,Anderen‘  – ließe sich das „Archaische“, „Urtümliche“, „Ungestüme“ authentischer und wirkmächtiger übersetzen, so wohl der Gedankengang der Regie und Dramaturgie.[1] Selbstverständlich hatte man viel gelesen, so wurde es im Gespräch nach der Aufführung beteuert. Und so wurde auch zwischen den Szenen, in denen sich die Shantytown mit Wellblechhütten, dem Hotel Leopold II, voodoozauberhaften Interieurs, Pickups mit Männern mit Maschinengewehren, Stammesfehde, Bürgerkrieg, Imperialismus, Neoimperialismus  wie im Klickapparat abwechselten, immer wieder kolonialkritische Grundlagenlektüre eingeblendet. Auszüge aus Sartres Vorwort zu Fanon erschienen (anstelle von Fanons Texten) ebenso wie Zitate von Ngũgĩ wa Thiong’o – doch das projizierende Subjekt blieb – leider allzu erwartbar – unsichtbar, sprich: Weiß und westlich.

Die Leistung der Beteiligten, die „Marionetten“ gleich (so ein Zuschauer im Nachgespräch) die Vision der Macher umsetzen, welche ihrer eigenen kolonialistischen Brille nicht gewahr sind, ist einstweilen als beeindruckend hervorzuheben. Es lohnt allemal, dieses Werk in voller Länge zu hören – die schematische Bildersprache hingegen muss die Eindrücke der Musik, denen man sich gerne hingeben würde, für all diejenigen schmälern, die größere Horizonte als die beschränkte Sicht der genannten Brille gewohnt sind.

Dass Rauchen und auch Nacktheit auf der Bühne künstlerisch gut begründet sein müssen, ist eine Sache. Dass man Minderjährige einbindet in eine Produktion, die eine dreistündige Bilderflut an ungebrochenen essentialistischen Reduktionen und Akten generiert[2], anstatt die Auseinandersetzung mit Komplexität zu suchen und problematische Sehgewohnheiten zu durchbrechen, kann man nur als fahrlässig bezeichnen. Mit welcher Not mussten hier überhaupt Kinder eingebunden werden?

Wie soll Huldas, wie soll unsere Welt an sich arbeiten, wenn man Weißen Menschen schwarze Strümpfe überstülpt, ohne auch nur im Ansatz über die fragwürdige Wirkmacht dieser Darstellungsentscheidung nachgedacht zu haben? Jene Figuren, die die Vorfahren Huldas darstellen sollen, und die sie immerzu stumm begleiten, seien fiktiv und stellten keine „echten“ Menschen dar, so hieß es im Nachgespräch, deshalb störe auch nicht die Maskerade – die doch allzu sehr an die rassistische Praxis des Blackfacings erinnert … Ist Hulda, sind nicht alle Darsteller_innen fiktiv?

Und wieder muss man sich fragen, mit welchen Maßstäben die Produktion ihre Prinzipien gesetzt hat – auf den ersten Blick politisch hinter dem Schleier der Literatur, auf den zweiten Blick beunruhigend rückwärtsgewandt und besessen von Stereotypen. Mit welchem Bild kultureller Wertigkeit gehen die Beteiligten und so manche Zuschauer_in aus dieser Produktion? Francks Oper Hulda, so Heiko Voss im Nachgespräch, sei an sich sehr „direkt“, und man habe sich auch in der Inszenierung bewusst für eine „direkte“ Sprache entschieden. In der Tat verlässt man diese Inszenierung resigniert und erschlagen – Raum für Nachdenklichkeit, die Francks Werk sicher einfordert, bleibt kaum. Daher die Empfehlung für alle, die neugierig auf die Musik sind: Die Schlafmaske einpacken.

 

 

[1] Das suggerierte ,Afrika’ entpuppt sich spätestens nach der Pause als ,Kongo’, wird aber durch die Konkretisierung nicht weniger schematisch.

[2] Die Darstellung von sexueller Gewalt erklärt sich zwar im Narrativ der ersten Szene, allerdings erschließt sich daraus nicht, dies als essentiellen Bestandteil fast jeder Szene einzusetzen. Huldas und Eiolfs bzw. Swanhildes und Eiolfs Liebe wird ebenso auf eine sexuelle Ebene heruntergebrochen, die sich in das Bild der Inszenierung fügen muss: Die hierarchische Stellung des Weißen Mannes steht über allem.